Herr Bürgermeister, wohin werden Sie gehen?
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- Erstellt: Donnerstag, 11. Oktober 2012 23:41
- Zuletzt aktualisiert: Montag, 22. Juli 2013 14:33
- Veröffentlicht: Donnerstag, 11. Oktober 2012 23:41
- Geschrieben von Jutta Reichardt
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Offener Brief an Sönke Siebke, Bürgermeister von Schmalensee
Herr Bürgermeister, wo werden Sie hingehen, wenn die Windräder kommen und unsere Landschaft verändern?
Schmalensee, so steht es auf der Internetseite des Amtes Bornhöved, "ist der einzige anerkannte Fremdenverkehrsort des Amtsbereiches". Die dem See südlich vorgelagerte Niederung wurde aus der landwirtschaftlichen Nutzung genommen, damit bedrohte Pflanzen– und Tierarten wieder eine Chance haben. Es
gibt einen „Dorfökolehrpfad", der die Touristen den See entlang zu einem Erlenbruchwald lenkt, ein selten gewordenes Kleinod in unserem Landschaftsbild. Im Jahr 2000 erhielt unser Dorf in einem landesweiten Wettbewerb die Auszeichnung "umweltfreundliche Gemeinde".
Werden wir diese Urkunde zurück geben müssen, wenn demnächst in der Feldmark hinter unseren Häusern ein
Industriegebiet liegt?
Vor einem Jahr zog ich nach Schmalensee. Unser Haus steht am östlichen Ortsrand. Ich laufe oft durch die Feldmark, die sich gleich an unser Grundstück anschließt. Ich kann meine Freizeit, meine Ferien zu Hause verbringen. Ich kann die Touristen verstehen, die zu uns kommen, um Ruhe und Erholung zu finden. Hier erstreckt sich ein ganz besonderer Landstrich zwischen den Seen, ein sanft erhobenes Fleckchen Erde, darüber das Hoheitsgebiet der Seeadler. Zwischen dem Stocksee, den Plöner und Bornhöveder Seenketten sowie dem Blunker See ziehen sie ihre weitläufigen Kreise. Ich beobachte Bussarde und Falken, die den Tauben bis in meinen Garten hinein folgen.
Zugvögel rufen weit oben und ich frage mich bange, was aus ihnen wird, wenn die Rotoren sich drehen?
Sie sagen, dass Sie Landwirt und Jäger sind. Aber was ist ein Landwirt ohne seine Landwirtschaft, ein Jäger
ohne das offene Feld?
Ihr Vater, Altbürgermeister Hans Siebke, so wurde mir erzählt, hielt einst seine schützende Hand über die Feldmark, wegen der Kolonien von Nachtigallen, die ihm wohl sehr viel bedeuteten.
Ich sammele Unterschriften von meinen Mitbürgern, weil auch mir diese selten unberührte Knicklandschaft am Herzen liegt.
Ich scheue mich nicht, die Stimmen einzuholen, die Sie, Herr Bürgermeister, benötigen, um unseren Gemeindevertretern eine zweite Chance zu geben, nämlich ihre Zustimmung zur Ausweisung dieses Naturraums als industrielle Windenergiefläche zurückzunehmen. Auf meinem Weg durch die Gemeinde lerne ich die Einwohner näher kennen. Alte und Junge laden mich ein, in ihre Häuser zu treten. Ich begegne Fassungslosigkeit, Kopfschütteln und Unverständnis. Sie bedanken sich für den Besuch, bitten mich, doch bald einmal
wieder vorbei zu schauen. Ich habe Geschichten gehört, wie die von einem viele Jahre zurückliegenden Beschluss der Gemeinde, dass Am Ringreiterplatz aus Gründen des Lärmschutzes keine Pappeln angepflanzt werden durften. Und ich frage mich, wieviel Dezibel erzeugt eine Pappel bei Sturm?
Herr Bürgermeister, bitte sagen Sie mir, warum müssen die Windkraftanlagen bei uns gebaut werden? Und was wird aus uns Menschen im Dorf, wenn Sie fort gehen?
Ein fünfblättriger, bewurzelter goldener Schößling ziert unser Wappen. Wird er demnächst durch ein Windrad ersetzt? Wir sind Mitglied im Naturpark Holsteinische Schweiz. Werden Sie unsere Mitgliedschaft kündigen, bevor Sie wo immer auch hingehen werden?
Ich weiß nicht, wohin ich gehen soll, wenn die Windräder kommen. Ich würde so gerne bleiben.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Antonia Fehrenbach
5. Oktober 2012